Die Auswirkungen von COVID-19 auf die Jugend in ausgewählten MENA-Staaten

Zusammenfassung

• Die aktuelle Pandemie des Virus SARS-CoV-2 und die dadurch ausgelöste Erkrankung COVID-19 haben die Staaten der MENA-Region in unterschiedlichem Ausmaß erfasst.
• Während die unmittelbaren Folgen verstärkt ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen betreffen, sind für die Jugend in diesen Staaten besonders die unmittelbaren Folgen zu spüren.
• Junge Menschen sind aufgrund verschiedener sozio-ökonomischer Faktoren indirekt von der Pandemie betroffen: eine bereits zuvor hohe Arbeitslosenquote, ein erschwerter Berufseinstieg sowie ein beschränkter Zugung zu Bildungsangeboten.
• Daraus ergibt sich das Risiko, dass eine gesamte Generation anhaltend unter den Auswirkungen der Pandemie leiden wird. Die bisherigen Maßnahmen der jeweiligen Regierungen tragen dem in unterschiedlichem Maß Rechnung.
• Daher wird empfohlen, der Situation der Jugend und potentiellen mittel- und langfristigen Folgen besondere Beachtung zu widmen. Das gilt für die jeweiligen Regierungen ebenso wie für externe Akteure wie Deutschland oder die EU.


Einleitung: Die neuartige Krankheit COVID-19, die erstmals in Wuhan, China im Dezember 2019 entdeckt wurde, hat sich auf der ganzen Welt ausgebreitet und wurde am 11. März 2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt. Aktuelle Erkenntnisse deuten darauf hin, dass besonders Jugendliche von den absehbaren Folgen der Pandemie betroffen sein werden. Im Gegensatz zu älteren Menschen und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem, die von den durch das Virus verursachten gesundheitlichen Schäden am meisten bedroht sind, werden viele junge Menschen die Nachwirkungen dieser Krise aufgrund ihrer wirtschaftlichen und sozialen Folgen zu spüren bekommen. Durch den aktuellen Rückgang des Wirtschaftswachstums und eine wachsende Arbeitslosigkeit sind negative Folgen zu erwarten und erschweren vor allem jungen Menschen am Ende ihrer Ausbildung den Eintritt in den Arbeitsmarkt. Dazu trägt auch der zum Teil fehlende Zugang zu Bildung bei, welcher durch mangelhafte digitale Ausstattung, wie etwa den fehlenden Zugang zu Laptops und Internet zuhause, erschwert wird.

Die Staaten der MENA-(Middle East and North Africa) Region werden ihre eigenen individuellen Schwierigkeiten mit den Folgen dieser Krise haben. Einige Länder waren bereits vor der Pandemie durch politische Unruhen, Konflikte und mäßige wirtschaftliche Entwicklung geprägt. Zwar hat die Region im Vergleich zu Europa aufgrund ihrer jüngeren Bevölkerung eine wesentlich geringere Zahl von Todesopfern zu beklagen (146.102 bzw. 875.330 Tote), da ältere Menschen stärker gefährdet sind. Die Jugend in den MENAStaaten wird jedoch mit gravierenden wirtschaftlichen Folgen zu kämpfen haben als ihre europäischen Nachbarn, denn bereits vor der Pandemie hatte die Arbeitslosigkeit unter jungen Menschen im erwerbsfähigen Alter in fast allen MENA-Ländern die allgemeine Arbeitslosenquote überstiegen.

Die gesamten Folgen der Pandemie für die Jugend können erst in den nächsten Jahren beurteilt werden, aber die wahrscheinlichen Auswirkungen werden bereits jetzt diskutiert. In dieser Studie werden die Verhältnisse in Tunesien, Ägypten, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) verglichen. Die direkten Erkenntnisse beziehen sich also auf diese vier Länder – gleichsam können daraus aber auch vorsichtig Einblicke für die Region insgesamt abgeleitet werden. Zunächst wird die Situation für die Jugend vor der Pandemie dargestellt und danach werden die aktuellen Auswirkungen der Krise und die politischen Maßnahmen der jeweiligen Regierungen aufgezeigt. Dabei
werden die ausgewählten MENA-Staaten in den Blick genommen, um die Situationen im Gesundheits-, Bildungs- und Wirtschaftssektor zu analysieren und anhand ihrer politischen und sozioökonomischen Lage und dem Grad der staatlichen Intervention zu vergleichen. Anschließend werden Handlungsempfehlungen für die Regierungen der einzelnen Länder, für die Region insgesamt sowie für die EU diskutiert.

Die MENA-Region muss viele Herausforderungen bewältigen, die durch die COVID-19-Krise sichtbarer wurden, jedoch
auf grundlegenden Problemen basieren. Die Jugend ist einer hohen Arbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit ausgesetzt, die durch den pandemiebedingten Wirtschaftsabschwung verstärkt werden könnten. Zusammen mit dem autoritären Führungsstil der Regierungen könnte dies dazu führen, dass der politische Führungsanspruch zunehmend in Frage gestellt und die soziale Stabilität gefährdet werden könnte, wenn die sozioökonomischen Auswirkungen der Pandemie nicht abgemildert werden.


Fallauswahl

In dieser Studie werden Ägypten, Tunesien, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate untersucht. Die Erkenntnisse werden also primär die Situation in diesen vier Staaten abbilden. Diese Staaten wurden
ausgewählt, um sowohl wirtschaftlich starke Länder aus der Golfregion als auch die besondere Lage nordafrikanischer Staaten abzubilden. Die Situation dieser vier Länder ist sicherlich nicht bedingungslos aussagekräftig für die gesamte Region. Diese Staaten sind jedoch in der direkten Gegenüberstellung gut vergleichbar, da Ägypten und Tunesien
sowie die VAE und Saudi-Arabien in zwei verschiedenen Abschnitten analysiert werden. Des Weiteren liegt bei einigen Staaten aus der MENA-Region, insbesondere in Kriegsgebieten, oft eine eher eingeschränkte Datenlage vor, gepaart mit einer bereits vor der Pandemie teilweise desaströsen medizinischen Situation.

Im Rahmen dieser Untersuchung können durch die Fallauswahl interessante Aspekte deduziert und betont werden. Während hier also vier Staaten ausgewählt wurden und näher betrachtet werden, können einzelne Entwicklungen, Faktoren und Szenarien durchaus über deren Grenzen hinaus für andere Staaten der Region oder die Region insgesamt Relevanz aufweisen. Die Analyse kann zukünftig erweitert und vertieft werden. Aufgrund der schnellen und fortwährenden Entwicklung der COVID-19-Pandemie und sich verändernden Datenlage wurde die Auswahl der Hauptquellen am 18. Dezember 2020 abgeschlossen. Lediglich einzelne Daten (Fallzahlen o.ä.) wurden seitdem aktualisiert.