Analyse zu den Wahlen im Iran und Vorstellung der Kandidaten

Einleitung: Am 18. Juni 2021 finden in der Islamischen Republik Iran wegweisende Präsidentschaftswahlen statt. Die verfassungsrechtlichen Amtszeitbeschränkungen schließen eine erneute Kandidatur Präsident Hassan Rouhanis aus. Die Rolle der Präsidentschaft im politischen System Irans ist komplex und wesentlich eingeschränkter als in den meisten anderen Systemen mit einer solchen Funktion. Der Oberste Führer Ayatollah Ali Khamenei trifft die meisten wichtigen Entscheidungen und kontrolliert die Politik der Islamischen Republik überwiegend allein. Das Amt des Präsidenten hat seine Funktion vorrangig in der formalen Gestaltung des Regierungshaushalts und dient in diplomatischen Verhandlungen als repräsentatives Gesicht des Irans. Er sitzt auch in einer Reihe von wichtigen Gremien, darunter dem Obersten Nationalen Sicherheitsrat, der den Obersten Führer berät.

Von den 592 Interessierten, darunter 40 Frauen, wurden nur sieben als Kandidaten zur Wahl zugelassen. Das Iranische System beruht auf ständiger Kontrolle durch den Wächterrat, der für die Einhaltung der Scharia-Gesetze zuständig ist. Für die diesjährige Präsidentschaftswahl hielt er nur 2 % der Bewerber für qualifiziert, das Amt des Präsidenten nach den Werten der Islamischen Revolution auszuüben. Am 25. Mai 2021 veröffentlichte das Innenministerium die Liste der zugelassenen Kandidaten: Der Justizchef Ebrahim Raisi, der als Favorit der sehr Konservativen gilt; der Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates Said Jalili, der für einen harten Kurs gegen den Westen steht; das Mitglied der Revolutionsgarden Mohsen Resai; der konservative Alireza Zakani; der pragmatische Mohsen Mehralizadeh, der der neue Hoffnungsträger der Reformer ist; der Leiter der iranischen Zentralbank Abdulnasser Hemmati sowie der sehr konservative Amirhossein Haschemi.

Nach der Disqualifizierung der moderaten Spitzenkandidaten, Eshaq Jahangiri und Ali Larijani, kam es zu Vorwürfen und dem Aufruf zum Wahlboykott seitens des reformistischen Lagers. Larijani und Jahangiri sollten – auch als Team – die moderate Politik Präsident Hassan Rouhanis weiterführen, so der Wunsch ihres politischen Lagers. Rouhani soll in einem Schreiben an den Obersten Führer, Ajatollah Ali Khamenei, bereits gegen die Verweigerung der Zulassung der beiden Kandidaten protestiert und eine Revision der Entscheidung gefordert haben.

Der Ausschluss der moderaten Kandidaten dürfte laut Experteneinschätzung die Chancen auf eine hohe Beteiligung bei der Abstimmung am 18. Juni schmälern, die auch als Test für die Legitimität der geistlichen Führung des Landes gilt. Die Bevölkerung ist ohnehin unzufrieden. Die Wirtschaftslage ist unter anderem infolge der harten US-Sanktionen schlecht, die Arbeitslosigkeit hoch.

Die diesjährige Präsidentschaftswahl ist nicht nur bezüglich des Nachfolgestreits des Obersten Führers Khamenei von großer Bedeutung, sondern spielt auch außenpolitisch eine entscheidende Rolle und könnte über die Position Irans im Weltwirtschaftssystem und der internationalen Gemeinschaft entscheiden. Die Verhandlungen zu einer Wiederaufnahme des Atomabkommens JCPoA, das seit der US-Präsidentschaft Donald Trumps auf Eis liegt, laufen in Wien auf Hochtouren – dass hier noch vor dem Urnengang in Iran eine Entscheidung zustande kommt erscheint indes kaum realistisch. Denn die sehr Konservativen, die über 70 % des Iranischen Parlaments bilden, versuchen eine Einigung vor der Präsidentschaftswahl zu verhindern, um ihre Chancen auf einen Sieg zu erhöhen. Sollte es vor dem Juni nicht zu einer Einigung in der Atomfrage kommen, wird der neue Präsident höchstwahrscheinlich einen härteren Kurs als der moderate Rouhani einschlagen.

Um die Bedeutung der Präsidentschaftswahlen in Iran zu verstehen, lohnt es sich einen Blick auf das politische Fundament der Islamischen Republik Iran zu werfen. Im Folgenden werden daher zuerst die politischen Strukturen Irans erläutert bevor die aktuelle machtpolitische Situation skizziert wird. Es folgt ein Portrait aller zugelassenen Kandidaten einschließlich ihrer innen- sowie außenpolitische Einstellung.